Erfolgreiche Aufführung von "Vexations"
von Erik (Alfred Leslie) Satie
Das "längste" Klavierstück der Welt,
dem Sie nicht unbedingt zuhören müssen
840 Wiederholungen vom Abend bis zum Frühstück
Im Foyer des GHT Zittau vom 15.06., 20.00 Uhr
bis 16.06.2001, 9.58 Uhr

Erik Alfred Leslie Satie wurde 1866 in Honfleur (Département Calvados) geboren. Der Vater, ein Musikverleger, war Franzose, die Mutter Schottin. Nach dem Tode der Mutter (1872) wuchs Satie bei den Großeltern auf. Man schickte ihn 1879, mit dreizehn Jahren, aufs Konservatorium nach Paris; mit langen Unterbrechungen studierte er dort Klavier. 1886, ohne Abschluß, verließ er die Lehranstalt. Er wohnte auf dem Montmartre und verdiente sich sein Geld als Klavierspieler in Kaffeehäusern und Kabaretts.
Schon früh begeisterte sich Satie für die Schriften Joséphin Péladans, der vor allem durch seinen Romanzyklus La Décadence Latine bekannt geworden ist. Péladan war Mitbegründer der Sekte der Rosenkreuzer (Rose Croix), in der Satie ab 1890 für mehrere Jahre als eine Art Hauskomponist wirkte.
1905 - mit fast 40 Jahren - faßte Satie den Entschluß, nochmals zu studieren; und zwar an der Schola Cantorum, wo er vier Jahre lang Albert Roussels Kontrapunktschüler war (sein Abgangszeugnis lautete "Très bien"). Zu dieser Zeit lebte er schon in dem Pariser Arbeitervorort Arcueil-Cachan. Er war hier zeitweilig kommunal- politisch tätig. Donnerstags nachmittags führte er die Kinder des Ortes ins Grüne, brachte ihnen die Anfangsgründe der Musik bei und komponierte für kleine Klavierspieler Stücke. Regelmäßig besuchte er sein altes Viertel Montmarte. Er ging zu Fuß zwei Stunden hin und zurück, oft in der Nacht, und zum Schutz gegen etwaige Überfälle mit einem Hammer in der Tasche.
Ohne je gesellig gewesen zu sein, war Satie mit vielen Künstlern befreundet. Claude Debussy und Maurice Ravel beeinflußte er untergründig, dem jungen Igor Strawinsky ging er auf einigen Gebieten der Komposition experimentierend voran. Er arbeitete mit Dichtern und Malern zusammen, z. B. mit Pablo Picasso, der ihn mehrmals mit dem Zeichenstift verewigt hat, mit dem Impresario des Russischen Balletts Serge Diaghilew und dem Filmregisseur René Clair. Von der Zeit des Ersten Weltkrieges bis in die letzten Jahre seines Lebens (er starb 1925) wandte sich Satie einer Ästhetik der Einfachheit und des Verzichts, der Nüchternheit und des Alltags zu. Er wurde von Jean Cocteau auf den Schild gehoben (Le Coq et l´Arlequin, Paris 1918) und war das Idol einer Reihe junger französischer Komponisten, der Groupe des Six (vor allem Darius Milhauds und Francis Poulencs) und später der nach seinem Wohnort benannten Ecole d'Arcueil (u. a. Henri Sauguets).
Satie schrieb keine gängige Konzertmusik. Abgesehen von einigen Klavier- und Gesangstücken im Salonstil, steht schon am Anfang seines Schaffens "archaische Klaviermusik", welche den üblichen Vortragsstil negiert.
"Vexations" (übersetzt Plagen, Plackereien oder Ärgernisse) wurde 1893 von Satie geschrieben. Einem Motiv sind 18 Akkorde auf 13 Vierteln zugeordnet, die in variierter Form nochmals folgen und keine erkennbare tonale Struktur haben, Spekulationen mit bestimmten (magischen) Zahlenverhältnissen sind durchaus berechtigt. Die Komposition wurde erst 1949 entdeckt, John Cage organisierte die erste Aufführung 1963 im "Pocket Theatre" in New York.
Die Musik besitzt keine Appellfunktion mehr, sie will keine Aufmerksamkeit erregen, sie ist ganz bei sich, "rein" und uneitel zugleich. Sie verkörpert die Idee einer musique d'ameublement (mit "Möbelmusik", wenn auch unzulänglich, zu übersetzen), die Satie in den letzten Jahren seines Lebens vorschwebte. Als Satie eine solche "Möbelmusik" zum erstenmal im März 1920 in einer Pariser Galerie aufführen ließ, hielten die Besucher sie noch für einen bloßen Ulk.
Saties musikgeschichtliche Leistung besteht darin, zwischen Konzertsaal und Kabarett, zwischen Kunst- und Trivialmusik vermittelt zu haben. Als Anführer avantgardistischer Richtungen und Strömungen wechselte er zwar häufig die Position, als ausgesprochener Außenseiter aber blieb er sich stets treu. Satie war eine Mehrfachbegabung, er schrieb nicht nur Noten und Texte, sondern zeichnete auch, zwang Musik, Wort und Notenbild zu etwas Unverwechselbarem zusammen.
Die Aufführung am 15.06.2001 ab 20.00 Uhr bestritten PianistInnen, die in den letzten vier Jahren der Gastschauspielkapellmeistertätigkeit von Erik Kross bereits in Zittau wirkten: Klaudia-Friederike Agachi, Natascha Osterkorn, Thomas A.Kolbe und Erik Kross, der auch die Gesamtleitung innehatte und das Aufführungskonzept entwickelte. Für gastronomische Betreuung war über die ganze Nacht bestens gesorgt, als gegen 10.00 Uhr des nächsten Morgens nach der 840sten Aufführung "unheimliche Stille" eintrat, wurde ein Frühstücksbufett eröffnet, und das früheste Musikhappening klang aus. Gemäß der Weisung des Komponisten, der Musik keine übermäßige Beachtung zu schenken, gab es Lesematerial (zur Sache, aber auch gängige Zeitschriften); Schlafsäcke, Decken etc. durften mitgebracht werden, es gab Liegemöglichkeiten. Man konnte die Aufführung verlassen und wiederkehren, wie es beliebte.

Autor: Erik Kross u. Verwendung von "Eberhardt Klemm, Satie. Klavierwerke 1, Leipzig/Dresden 1986, S. 68"

Bilder von der Aufführung von Hubert Kross

Pressespiegel

Dokumentarfilm von Hanne Eckart und Hubert Kross "Klaviermarathon"
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