ORANIENBURG, 3.02.2008
Nach eineinhalb Stunden geistreicher Satire, bei der sich die Besucher
am Sonntagvormittag in der Oranienburger Orangerie köstlich amüsierten,
strahlten nicht nur die Protagonisten auf der Bühne, sondern auch die
dahinter Wirkenden. Insbesondere der Leiter der Lesereihe des Potsdamer
Hans-Otto-Theaters, Hans-Jochen Röhrig, der bekannte, nie hätte er
geglaubt, dass sich Voltaires weltberühmter, 1759 erschienener Roman
„Candide“ so trefflich für die Bühne einrichten ließe. Entstanden als
Voltaires „Fortsetzung des Dialogs mit Friedrich II.“, wie Knut Kiesant
von der Universität Potsdam einführend formulierte, fügte sich das
Thema wunderbar in die Reihe „Märkische Leselust“.
Etwa
ein Drittel des Voltaire-Romans mit seinem ironisch-absurd, stilistisch
brillant formulierten Inhalt ließ Regisseur Röhrig von Caroline Lux und
Peter Wagner im Wechsel lesen und von Erik Kross musikalisch
untermalen. Letzterer hatte auf einem aus Persien stammenden Santur,
dem Vorgänger von Cembalo und Klavier, sowie auf dem Flügel typische
Geräusche des Lebens zu einer stimmungsvollen Handlungsmusik vereint:
angefangen von lieblichem Vogelgezwitscher, über Hufgetrappel
andalusischer Pferde, bis zum Stöhnen erdolchter Menschen.
Die
Handlung begleitete den sanftmütigen Candide, der aus dem Schloss eines
westfälischen Landsitzes wegen seiner Liebe zur schönen Cunégonde
verbannt worden war, auf seinen irdischen Schicksalswegen. Um die von
Doktor Pangloss, Lehrer der Metaphysico-theologo-cosmolonigologie,
vertretene These von der besten aller möglichen Welten zu entdecken.
Was ihm stattdessen begegnet, sind Willkür, Gewalt, Brutalität,
Gaunereien, die ihn so weit treiben, dass er sogar selbst zum Mörder
wird. Am Ende bekommt er zwar seine nunmehr hässliche und
genotzüchtigte Geliebte, aber glücklich wird er nach den Missgeschicken
und Wechselfällen des Lebens in der Langeweile eines gediegenen
Landguts nicht.
Dem hoffnungsvoll ins Leben
ausziehenden Candide verlieh Schauspieler Peter Wagner eine
distanziert-abwägende Stimme, mit der ihm sowohl Glaubwürdigkeit als
auch Schicksalsergebenheit gelangen. Als Pendant zur
temperamentvolleren Caroline Lux, die sich zwar manchmal ein wenig
verhaspelte, aber diese kleinen Schnitzer mit gekonntem Gestus auffing.
Umwerfend,
wenn sie die beiden Werber fürs Militär mal mit dem einen, mal mit dem
anderen Mundwinkel argumentieren lässt. Oder wenn sie stimmlich
nuancierend und gestenreich den Verlauf der Syphilis beschreibt. Welch'
ein schauspielerisches Kabinettstückchen!
Rotraud Wieland, Märkische Allgemeine vom 4.02.2008
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