Pressespiegel

Badische Neueste Nachrichten, 27.09.2004, "Lieschen trägt keine Hosen"
"Und wird dir das Beten und Fasten zu dumm, richte, schlichte, verzichte und haranluiere (langweile) das Publikum nicht erst durch Weltschmerzgedichte." Gähnen und sich langweilen musste das verehrte Forster Publikum wahrhaftig nicht. Mit Genuss und großem Vergnügen konsumierte es ein heiter-frivol-erotisches Mahl mit Versen, Chanons und Bänkelliedern aus der Feder von Frank Wedekind. Mitreißend serviert und glänzend in Szenen gesetzt wurde das Ganze von Kathrin Messerschmidt, Peter Schell, bekannt als Karl aus der Fernsehserie "Die Fallers", und dem Mann am Klavier, Erik Kross. Alle drei sind Vollblutkünstler, die ihre Zuhöer restlos zu begeistern wussten.
Eingebettet waren die Vorträge in kurze Prosatexte aus Wedekinds ,"Pariser Tagebuch", die bemerkenswerte Einblicke in das Leben und Denken des "Enfant terrible" seiner Zeit gaben. Vor hundert Jahren richtete der Dramatiker, Lyriker und Kritiker und Mitarbeiter des Satiremagazins Simplicissimus Frank Wedekind seine Pfeile gegen das scheinheilige Bürgertum, das sich darüber sehr empörte. Die Obrigkeit witterte gar Verrat und verpasste ihm sechs Monate Festungshaft wegen Majestätsbeleidigung. Das gemeine Volk aber verstand ihn und liebte seine Lieder, die ihnen aus den Herzen sprachen.
Von der Liebe, pikanterweise auch von der käuflichen, von Lust und Leidenschaft, von alltäglichen und besonderen Begebenheiten, von Gefühlen, Schwächen und Eigenheiten seiner Mitmenschen wussten die Bänkel- und Moritatensänger zu singen und zu berichten. Wir vernahmen "Das Lied vom armen blinden Kind", zu dem sich der Taube, die Lahme, das keusche Mägdlein mit dem Knebelbart nebst einem räudigen Hund gesellten. Sie alle verdankten am Ende ihr Glück einem brotlosen Dichter, denn wer zuletzt lacht, lacht am besten. Hört, hört, Lieschen trägt keine Hosen, sie wird sich doch wohl keinen Schnupfen holen. "Mein Käthchen fordert zum Lohne von mir ein Liebesgedicht, doch ob ich überhaupt sie noch liebe, weiß ich so genau nicht". Da war das junge Mädchen aus Baden so arglos und unerfahren, die wurde aus Schaden nicht klug, skandalös die Geschichte vom Tantenmörder, der freiweg gestand: "Ich hab meine Tante geschlachtet, sie war alt und brauchte ihre Schätze nicht mehr".
"Oh Gott, oh Gott, oh Gott", was so alles auf unserem Erdball geschieht, davon wussten die Sänger manch trefflich Lied zu singen. Den Leuten in der Bücherei gefiel's, sie sagten Danke mit viel Applaus und zogen beglückt von dannen.
(hüb)

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